Die AAeV unterstützt Quechua Benefit.

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Erfahrungen und Beobachtungen aus erster Hand

Von David Tracey (Übersetzung Alexandra Prunu)

Quechua Benefit wurde 1996 gegründet, als der berühmte peruanische Alpakazüchter Don Julio Barreda an einige Amerikanische Alpakazüchter herantrat um sie zu fragen, ob sie nicht etwas für die Kindern in seinem Heimatdorf tun könnten. Auf diese einfache Anfrage hin wurden Mittel zur Verfügung gestellt, um vielen dieser Kinder aus verarmten Familien eine medizinische Zahnpflege zu ermöglichen. Über die Jahre ist der Umfang der Einsatzgebiete von Quechua Benefit stetig gewachsen. Heute versorgt Quechua Benefit mehr als 40 kleinere Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern mit Medikamenten, Augen- und Zahnmedizin. Ausserdem unterstützt die Organisation 3 Weisenhäuser/Internate und über zwei weitere Programme werden etwa 1000 Personen pro Tag mit Essen versorgt.

Die meisten dieser Angebote konzentrieren sich auf die Gegend rund um den Colca Canyon in Peru. Auch wenn Teile der Region sich aufgrund der wachsenden touristischen Nachfrage sehr gut entwickelt haben, bleiben noch viele isoliert liegende, verarmte Orte übrig. Sie konnten von den höheren Löhnen und verbesserten Möglichkeiten die diese Entwicklung mit sich brachte nicht profitieren. In diesen Dörfern leben die Menschen oft in erschreckender Armut und unter schwierigen Wetterbedingungen. Alkohol und häusliche Gewalt sind an der Tagesordnung. Die Kindersterblichkeit ist hoch, und diejenigen Kinder, die ihre ersten Jahre gesund überstehen, brechen ihre Schulausbildung oft früh ab.

Quechua Benefit erkannte, dass sie, um das Leben der Bevölkerung und besonders das der Kinder langfristig zu verbessern, eine dauerhafte Präsenz am Colca Canyon brauchten. Und so begannen die Arbeiten an einem Waisenhaus und einer Schule für die bedürftigen Kinder der Gegend. Die Arbeiten konnten 2011 abgeschlossen werden und Casa Chapi, wie die Einrichtung genannt wurde, wurde zu einer staatlich anerkannten Schule. 40 Jungen und Mädchen zwischen sechs und zwölf Jahren leben dort zusammen mit fünfzehn Mitarbeitern.

Die Kinder essen, schlafen und lernen in Casa Chapi. Ihr Tagesablauf wird einerseits durch den staatliche vorgegebenen Lehrplan strukturiert, andererseits bekommen sie auch Zeit ihre Kreativität zu entwickeln und frei zu spielen. Es ist eine grossartige Einrichtung, in der die Kinder Verantwortung lernen und eine hochwertige Ausbildung bekommen, die ihnen neue Zukunftsperspektiven eröffnet.

In meiner Zeit in Casa Chapi war ich an einer Vielzahl von Projekten beteiligt, die alle das gemeinsame Ziel hatten die Lebensqualität der Kinder dort zu verbessern, aber auch die Abläufe der Organisation als Ganzes. Letzteres beinhaltete auch, die Organisationsinternen Strategien auf den neuesten gängigen Stand zu bringen. Obwohl das eine extrem wichtige Aufgabe war, die schlussendlich darüber entscheiden wird auf welche Art die Organisation in Zukunft arbeiten wird, müsste ich lügen wenn ich sagen sollte dass dies eine meiner zufrienden stellendsten oder inspirierendsten Aufgaben dort war.

Meine Tage habe ich hauptsächlich damit verbracht, die Kinder in Englisch und Sport zu unterrichten. Es machte unglaublich Spaß, da ich dabei Zeit hatte die Kinder als kleine Persönlichkeiten kennen zu lernen und mich an der Gemeinschaft mit Ihnen zu freuen. Es ist einfach eine schöne Erfahrung, zu solch intelligenten, bezaubernden Kindern echte Beziehungen aufzubauen zu können. Wie die meisten Peruaner, junge und alte, zeigten sich auch diese Kindern zuerst schüchtern und unsicher in meiner Gegenwart. Mit der Zeit konnte ich sie dann persönlich kenne lernen; Ich erkannte was sie gerne mögen und worin ihre Talente liegen, lernte aber auch ihre oft traurigen Herkunftsgeschichten kennen. Manchmal hat es mich frustriert, wenn sie sich wieder einmal nicht so benommen haben wie ich es von Ihnen erwartete. Die meiste Zeit aber habe ich ihre schier unendliche Energie und ihren reichen Geist bewundert.

Die inspirierendsten Projekte überhaupt, an denen ich mich in meiner Zeit in Casa Chapi beteiligen durfte, waren das neue Sportprogramm und ein vierzehntägiges Englisch Camp. Gerade von diesen beiden Projekten konnten die Kinder auch wirklich sofort profitieren, noch während ich dort war.

Wie scheinbar überall auf diesem Kontinent vergöttern die Jungs in Casa Chapi Fussball! Als ich dort ankam war alles, was sie zum spielen hatten, zwei Fußbälle und ein felsiger, staubiger Platz mit zwei in den Boden gehämmerten Toren. Es gab kein Team, die Jungs hatten noch nie gegen die Jungs einer anderen Schule gespielt, und das chaotische im-Kreis-herumkicken nach dem Mittagessen war wohl das einzige, was man mit viel gutem Willen als ‚Training‘ hätte bezeichnen können.

Von meiner ersten Woche an richtete ich dreimal die Woche eine Trainingszeit ein, wenn die Zeit es erlaubte spielten wir sogar vier mal. Die Reaktionen der Jungs auf den Plan, eine richtige echte Fußballmannschaft zu haben, war überwaltigend und begeisternd. Trotzdem hat es einige Zeit gebraucht, bis sie sich an die festgelegten Abläufe einer Trainingseinheit gewöhnen konnten, da die meisten der Jungs noch nie in ihrem Leben mit so normalen Trainingspraktiken wie “Aufwärmen” oder “Übungen” in Berührung gekommen waren. Alles was sie wollten, war ein weiteres wildes Spiel, wie sie es immer gespielt hatten! Langsam aber sicher gewöhnten sie sich dann an diese neuen Abläufe. Schließlich erreichten wir sogar den Punkt an dem ich die Älteren mit den Jüngeren alleine lassen konnte, um sie viele der einfacheren Übungen beaufsichtigen zu lassen.

Endlich war es soweit: sie hatten ihr erstes Spiel gegen eine Mannschaft die von Vater Marcos, dem Pfarrer der Kirchengemeinde vor Ort, organisiert worden war. Ihr erstes Spiel war ein voller Erfolg, ein 3 – 0 Sieg gegen Jungs, die auch noch älter waren als sie selbst. Leider lief es mit ihrem zweiten Spiel dann genau anders herum, 0 -3 verloren gegen eine besser organisierte Mannschaft. Sie haben trotzdem ein gutes Spiel gemacht, leidenschaftlich und überraschend organisiert für eine Mannschaft, die seit 10 Wochen erst überhaupt ein Team ist. Schon sind sie in Gedanken bei dem Turnier regionaler Mannschaften, das im November stattfinden wird. Es wäre noch eine Untertreibung zu behaupten, dass sie diese neue Herausforderung gar nicht erwarten können!

Natürlich hat sich das Sportprogramm nicht darauf beschränkt, eine Fußballmannschaft für die Jungen zu organisieren. Während wir die Jungen in Fußball trainierten, begannen wir auch mit einer Volleyballmannschaft für die Mädchen. Um ehrlich zu sein hielt sich die Begeisterung der Mädchen anfangs in Grenzen, es gab ja noch nicht mal ein Volleyballnetz. Nachdem wir die Gruppe aber organisiert hatten und mit dem Training begannen, wuchs auch ihre Begeisterung. Da ich selbst nie zuvor in meinem Leben Volleyball gespielt hatte, waren die ersten Trainingsstunden etwas chaotisch. Aber es wurde sofort besser, nachdem einige der weiblichen Mitarbeiterinnen an meinen komödiantischen Anstrengungen während der ersten Ballwechseln mit den Mädchen die Lage erkannten, und einfach mitspielten. Nachdem wir dann auch noch ein Netz organisieren konnten und es im Schulhof aufstellten, wurde aus der Gruppe Mädchen ein echtes Team. Niemand kam mehr zu spät zum Training, es entstand ein neues Gefühl von Ernsthaftigkeit und die Trainingsstunden wurden zielstrebiger. Das zeigte sich dann auch bei ihrem ersten Spiel gegen ein Team deutlich älterer Mädchen, dass sie sehr tapfer mit einem respektablen 25-18 verloren. Wenn man berücksichtigt, dass die anderen Mädchen schon seit Jahren dabei sind und die Mädchen von Casa Chapi erst seit 3 Monaten überhaupt Volleyball spielen, ist das wirklich beeindruckend.

Das Wichtigste an diesem Sportprogramm war natürlich nicht, ob die Mannschaften der Kinder gewinnen oder verlieren werden. Sondern der riesen Spaß, den die Kinder an dem Spiel haben und die sozialen Fähigkeiten und die Teamfähigkeit die sie in jeder Trainingsstunde und an jedem Turnier weiterentwickeln. Durch den Sport lernen sie neu Verantworung zu übernehmen und stolz auf sich selbst, ihre Mannschaftskameraden und ihre Schule zu sein.

Als Englischlehrer der Schule während der letzten zwei Monate war ich immer wieder überrascht vom Wunsch der Kinder, diese zweite Sprache zu lernen. Die grosse Mehrheit der Kinder liebt es wirklich zu lernen, und freut sich auf den Englischunterricht. Ich hätte nie damit gerechnet, dass die Kinder mich regelrecht bestürmen mit der Frage, wann denn ihre nächste Englischstunde stattfindet. Sie fragen, selbst wenn sie ganz genau wissen wann die nächste Stunde stattfinden wird, nämlich zur selben Zeit wie jede Woche!

Was für ein Unterschied ihre Begeisterung, macht, wenn ich mich dagegen an mich selbst in meinen Französischsstunden in der Schule erinnere; gelangweilt, müde und angeödet. Ich denke das sagt eine Menge über die Erwartungen von Leuten wie mir, die aus einem erste Welt Land stammen und ein qualitativ hochwertiges Bildungssystem durchlaufen haben. Wir sehen Bildung als ein Grundrecht, wir erwarten es und vielleicht ist das der Grund warum die Kinder es hassen. Es ist etwas, das sie tun MÜSSEN, eine Verpflichtung. Hier ist die Situation dagegen anders. Ich weiss nicht wie es bei Kindern in den peruanischen Städten ist, vielleicht ist die Aufmerksamkeitsspanne von Schülern in Lima genauso kurz wie die, die man in Europa oder Amerika findet. Aber hier draussen auf dem Land ist das nicht der Fall. Bildung ist hier noch lange nicht etwas, das man einfach vom Leben erwarten kann. Die Eltern wollen, dass ihre Kinder zur Schule gehen, und die meisten Kinder wollen etwas lernen. Schule ist hier mehr Möglichkeit als Arbeit.

Von Anfang an war klar, dass ein über längere Zeit angelegter Englischkurs den Kindern die beste Möglichkeit zu lernen bieten würde. In Zusammenarbeit mit ‚Extreme‘, einem namhaften Englischinstitut aus Arequipa, begannen wir mit einem zweiwöchig stattfindenden Englisch Camp für die Kinder und Mitarbeiter von Casa Chapi. Jeden zweiten Samstag kommen fünf Lehrer von Extreme aus Arequipa um die Kinder zu unterrichten und etwas mit Ihnen zu unternehmen. Ausserdem geben sie einen extra Kurs für das peruanische Personal von Casa Chapi. Die Reaktion der Kinder auf dieses Camp war wie erwartet fantastisch. Es gibt ihnen nicht nur eine weitere Gelegenheit Englisch zu lernen, sondern auch mit den Lehrer von Extreme, die hauptsächlich aus Nordamerika stammen, zu spielen und Spaß zu haben. In diesen Leuten haben die Kinder weitere, gute Rollenvorbilder gefunden.

Glückerlicherweise schätzen auch die Lehrer selbst die Erfahrungen die sich mit den Kindern machen sehr. In ihrem Arbeitsalltag sehen sie sich lethargischen Schülern gegenüber, die von ihren Eltern zu Privatunterricht gezwungen werden. Hier dagegen haben sie eine Klasse voll energiegeladener junger Schüler, die vor lauter Begeisterung über den Unterricht kaum stillsitzen können.

Beide vorgestellten Programme, das sportliche Training und das Englisch Camp, sind sehr positiv angelaufen. Nicht nur, dass die Kinder diese Programme lieben. Beide Programme haben auch das Potenzial den Kindern wertvolle Fähigkeiten für ihre Zukunft mitzugeben. Für mich war es eine absolute Freude zu sehen wie diese Projekte verwirklicht wurden und welche positiven Reaktionen die den Kindern entlockten.

Gerade jetzt ist es besonders interessant, ein Teil von Casa Chapi zu sein. Die Organisation ist noch sehr jung, am werden, und es gibt noch eine Menge Arbeit die getan werden kann um sie zu all dem zu machen was sie sein könnte. Jeden Tag verbessert sich diese Organisation, nimmt an Fahrt auf, setzt neue Ideen um und verbessert bestehende Programme. Diesen Prozess zu beobachten, ist vielleicht das inspirierendste überhaupt. Die Zukunft für Casa Chapi, und noch wichtiger die Zukunft der Kinder in Casa Chapi, sieht glänzend aus.